Ziel des Workshops

Was sind komplexe Zahlen?
Einführung in das Rechnen mit komplexen Zahlen
Komplexe Zahlen sind wie Vektoren sind aber keine Vektoren
Warum es Wurzeln aus negativen Zahlen gibt
Exponentialfunktion liefert Kreise
Einfache Beschreibung von Schwingungen durch komplexe Zahlen
Wechselstromwiderstände lassen sich durch komplexe Zahlen zusammenfassen
Erzeugung von fraktalen Mustern durch einfach Gleichungen
....

Sonntag, 5. April 2020

Teil 1 Wie man sich neue Zahlen bastelt: Abschnitt 7: Irrational

Irrationale Zahlen

Rationale Zahlen über Paarbildungen zu erweitern, so dass man die irrationalen Zahlen erhält, ist nicht einfach. Man kann das über sogenannte Intervallschachtelungen machen, also die Konstruktion immer  enger liegender  Intervallgrenzen.

Das zu erläutern, würde aber den Rahmen hier sprengen.

Satt dessen will ich erst einmal irrationale Zahlen charakterisieren:

Irrationale Zahlen sind nicht rational!

Haha...

Aber: Wir haben gesagt, dass man jede rationale Zahl durch eine abbrechende oder periodische Dezimalzahl darstellen kann (1/4 = 0,25, 1/11 = 0,090909090909....).
Also bleibt:

Eine irrationale Zahl ist eine Dezimalzahl, die weder in der Stellenfolge irgendwann abbricht noch irgendwann periodisch wird.

Und in dem "irgendwann" liegt das Problem...Durch Ausprobieren kann man das nicht nachweisen: Was ist, wenn man bis zur 500.-ten Stelle weder einen Abbruch noch eine Periode gefunden hat, sich aber die Ziffernfolge erst nach einer Millionen Stellen wiederholt?

Man muss die Irrationalität richtig beweisen.
Das werden wir hier nicht machen, sondern nur ein paar, auch für später, wichtige Beispiele vorstellen.

Wurzeln

Bei √2haben wir sogar schon bewiesen, dass keine rationale Zahl vorliegen kann.
Das ist besonders irre, denn die Diagonale eines Quadrates der Seitenlänge 1 cm hat die Länge √2!
Und alle Wurzeln, die "nicht aufgehen" wie √4 = 2, sind irrationale Zahlen.

Irrationalität ist also keine Ausnahme!
Es gibt unendliche viele irrationale Zahlen! 

Pi π

Die Zahl  π ist die Proportionalitätskonstante zwischen dem Durchmesser  und dem Umfang U eines Kreises: U = π * d

Die Beweise für die Irrationalität von  π   sind nicht einfach, schaut euch mal den hier an:

Ihr müsst das nicht verstehen, aber es ist lustig und ihr seht wie schwer es ist...
  
 Eulersche Zahl e

Man kann diese Zahl als Grenzwert einführen: Die Zahlenfolge (1+1/n)ⁿ strebt für wachsendes n einer irrationalen Zahl entgegen:
e = 2,71828....

Die Zahl e ist wichtig als Basis des sog. natürlichen Logarithmus, aber wir werden sie als Basis der Exponentialfunktion oft nehmen:

Die Funktion f(x) = eˣ = exp(x) beschreibt viele natürliche und technische Vorgänge:
- Auf- und Entladen eines Kondensators
- Radioaktivität
- Ausbreiten eines Virus
- Inflationäre Expansion eines Universums...
- Dämpfung einer Schwingung

Die Zahl e als Basis bewirkt, dass die Steigung der Funktion exp(x) an jeder Stelle so groß wie ihr Wert ist!

(Beispiel: Der Nachwuchs einer Population ist proportional zu ihrer Größe, die Anzahl der zerfallenden Atomkerne ist proportional zur Anzahl der vorhandenen Kerne....)
Steigung und Funktionswert wachsen also vollkommen identisch!
schülerholfe

Damit wird das Ableiten (Differenzieren) so einfach:

exp(x)` = exp(x).

Goldene Zahl

In Kunst und fraktaler Geometrie spielt der "Goldene Schnitt" eine Rolle:
Eine Strecke kann man z.B. so aufteilen, dass das Verhältnis der ganzen Strecke a+b zur größeren Teilstrecke a so groß ist wie das Verhältnis der größeren Teilstrecke  a zur kleineren Teilstrecke b:

 (a+b)/a  = a/b = 1,61803398.... 
schule-bw

Dann nennt man das Verhältnis a/b auch "Goldene Zahl". Es ist eine irrationale Zahl und zwar die irrationale Zahl mit der stärksten Irrationalität, die es gibt...

Hört sich jetzt seltsam an...das kann man mit sog. Kettenbrüchen recht leicht einsehen, ist aber hier nicht unser Thema! Leider...

(Hinweis: e und π sind auch noch transzendente Zahlen, also nicht Lösung einer (algebraischen) Gleichung.)

Aufgabe:

e und π sind beide irrational!

Was ist mit der Summe e + π ?

In den letzten Posts dieses Abschnittes kümmern wir uns dann noch um das Abzählen der Zahlen und das Anordnen!
Versprochen: Dann sind wir bei komplexen Zahlen!


Teil 1 Wie man sich neue Zahlen bastelt: Abschnitt 6: Rational sein ist nicht alles

Reelle Zahlen

Eigentlich können wir zufrieden sein.
Wir haben die rationalen Zahlen, die Brüche, gefunden, mit denen wir  alle Gleichungen der Form a*x + b = c (mit a ≠ 0)
lösen können (x =  (c-b)/a).

Aber zwei Aspekte sind noch unbefriedigend:

Wie sieht es mit quadratischen Gleichungen aus?

x² = 9 lässt sich durch x =3 oder x = - 3 lösen.

Aber was ist mit x² = 2?

Kann man ein Quadrat konstruieren, das den Flächeninhalt 2 cm²  hat?

Nein

Wenn ja, dann müsste die Seitenlänge des Quadrates eine rationale Zahl sein.

Ist sie nicht!

Und wenn es keine rationale Zahl ist...dann  erfinden wir eben neue Zahlen, die auch solche Gleichungen lösen können... das werden dann irrationale Zahlen sein, die zusammen mit den rationalen Zahlen die reellen Zahlen bilden.

Das ist dann der umfassendste Zahlbereich, mit dem man in der Schule rechnet.

Die Lösung von x² = 2 kann keine rationale Zahl sein!
Ich möchte in einem berühmt gewordenen Beweis zeigen, dass kein Bruch p/q die Gleichung x² = 2 lösen kann.
wiki
Der Beweis stammt angeblich von einem Schüler des Pythagoras. Der Meister war aber darüber richtig sauer, denn seiner Meinung nach hatten solche irrationale Zahlen in einer rationalen Welt keinen Platz.
Unklar ist, ob der Mord an dem Schüler damit in Verbindung steht...
 
Die Beweisführung ist indirekt, d.h. wir nehmen an, dass es eine solche rationale Zahl w gibt ,für die gilt :

w² = 2.

Dann muss es möglich sein, diese Zahl als einen vollständig gekürzten Bruch darzustellen:
  w = p/q , wobei p und q keinen gemeinsamen Teiler haben (sonst könnte man ja noch kürzen).

Ich habe einmal aufgeschrieben, wie man daraus einen Widerspruch konstruieren kann.
Dieser Widerspruch führt dazu, dass die Annahme w sei ein gekürzter Bruch falsch sein muss.



 Und hier das Erklärvideo dazu:



Hinweis: Manchmal zeigt der Browser falsche, d.h.alte Videos an. Dann Chronik löschen und neu starten.

Wer es noch überprüfen möchte:




Wir haben also nun gezeigt, dass √2 keine rationale Zahl ist. Sie ist also irrational.

Im nächsten Post bringe ich Beispiele für irrationale Zahlen.

Und dann schaffen wir Ordnung, bevor es komplex wird.

Teil 1 Wie man sich neue Zahlen bastelt: Abschnitt 5: Brüche bilden rationale Zahlen

Brüche als Erweiterung der ganzen Zahlen

Wir haben im letzten Post das Bestreben der Mathematiker kennen gelernt, Gleichungen aus einem Zahlbereich auch in diesem Zahlbereich zu lösen:

a + x =  b lässt sich für jede Zahl a und b aus den ganzen Zahlen auch durch eine ganze Zahl x lösen.
Profis sagen: Die ganzen Zahlen bilden bezüglich der Addition eine Struktur, die man Gruppe (Z,+) nennt.

Von einer Gruppe spricht man immer dann, wenn es auf die Reihenfolge der Rechnung nicht ankommt, man also keine Klammern setzen muss (Assoziativgesetz), es ein neutrales Element gibt (wie hier die 0) und jedes Element ein inverses Element hat, so dass beide zusammen das neutrale Element ergeben (a + (-a) = 0). Und natürlich muss die Verknüpfung von zwei Elementen wieder zu der Menge gehören (a+b ist wieder eine ganze Zahl).
Ist sogar noch a+b = b+a, so spricht man von einer abelschen Gruppe.

Es wäre ein Workshop für sich, zu diskutieren, dass auch die Wechselwirkungen  und die Eigenschaften der Elementarteilchen  und der elementaren Kräfte zwischen ihnen Gruppenstrukturen bilden.  Gruppen sind in der modernen Physik ein unglaublich wichtiges Hilfsmittel.

Wir haben auch gesehen, dass die Gleichung a*x = b mit ganzen Zahlen a ≠ 0 und b nicht immer mit ganzen Zahlen lösbar ist:

3 * x = 12 ist lösbar, da 3 ein Teiler von 12 ist: x = 4
3 * x = 10 ist nicht lösbar in ganzen Zahlen, da 3 kein Teiler von 10 ist (10/3 dürfen wir nicht nehmen, ist keine ganze Zahl).

Und wieder konstruieren Mathematiker Zahlenpaare und erklären wie man sie addiert und multipliziert.

Das wollen wir hier nicht nachvollziehen. Es ist erstens langweilig und zweitens wollen wir ja schnell zu den komplexen Zahlen kommen.

Außerdem kennt jeder das schon seit der Klasse 6, denn man kann die Zahlenpaare auch als Bruch schreiben:
Die erste Zahl des Paares heißt Zähler, die zweite Zahl heißt Nenner...

und wie man Brüche addiert haben alle gelernt:
Bei gleichem Nenner werden nur die Zähler addiert. Sind die Nenner nicht gleich, sucht man sich andere Vertreter dieser Brüche mit gleichem Nenner (wir nennen das "Erweitern") und addiert dann...
ZUM.de

Multiplizieren ist besonders einfach: Zähler mal Zähler, Nenner mal Nenner...

Hätten wir die Bruchzahlen als Paare eingeführt, wäre die Multiplikationsregel:
(a,b) * (c,d) = (a*c, b*d).

Rationale Zahlen sind also alle positiven und negativen Brüche, auch die 0 gehört dazu.

Es ist auch üblich Brüche als Dezimalzahlen zu schreiben. Dann erhält man entweder abbrechende oder periodische Dezimalzahlen (1/3 = 0,333333333..., 1/8 = 0,125 ).

Aber um alle Gleichungen der Form a* x = b immer lösen zu können, muss man die 0 raushalten.

Die rationalen Zahlen ohne die 0 bilden bezüglich der Multiplikation dann auch eine Gruppe (Q\0, *).
Und da die rationalen Zahlen bezüglich der Addition sowieso die Struktur einer Gruppe haben, nennen das Mathematiker in höchster Verzückung einen Körper:
Die rationalen Zahlen bilden bezüglich + und * einen Körper.

Wir werden diese Bezeichnungen nicht weiter benutzen, es sollte hier für Profis mal erwähnt werden.

Fassen wir zusammen:

Um immer subtrahieren zu können, haben Mathematiker die ganzen Zahlen erfunden.
Um immer dividieren zu können, haben Mathematiker die rationalen Zahlen erfunden.


Und der Nutzen:
Mit ganzen Zahlen können wir Schulden und Guthaben verrechnen  und mit rationalen Zahlen können wir eine Pizza aufteilen...
ISaR

... also wirklich für den Alltag relevante Sachen!

Sie ist schon zu was zu gebrauchen, die Mathematik!

Noch zwei Posts, dann wird es endlich komplex...