Ziel des Workshops

Was sind komplexe Zahlen?
Einführung in das Rechnen mit komplexen Zahlen
Komplexe Zahlen sind wie Vektoren sind aber keine Vektoren
Warum es Wurzeln aus negativen Zahlen gibt
Exponentialfunktion liefert Kreise
Einfache Beschreibung von Schwingungen durch komplexe Zahlen
Wechselstromwiderstände lassen sich durch komplexe Zahlen zusammenfassen
Erzeugung von fraktalen Mustern durch einfach Gleichungen
....

Samstag, 11. April 2020

Teil 3: Einführen von komplexen Zahlen Abschnitt 5: Über die verlorene Ordnung

Nichts ist umsonst! Alles hat seinen Preis!

Wir haben zwar mit den komplexen Zahlen eine Möglichkeit gefunden auch Wurzeln aus negativen Zahlen zu ziehen und damit jede Gleichung zu lösen (damit werden wir uns bald beschäftigen).

Aber wir müssen einen Preis zahlen:

Wir kennen zwar alle Lösungen, aber wir können sie nicht mehr der Größe nach ordnen.

Die uns aus den reellen Zahlen bekannten Relationen > oder < lassen sich nicht auf die komplexen Zahlen übertragen.
Wie auch, es sind ja irgendwo in der Ebene liegende Punkte...

Nehmen wir mal das Beispiel i und nehmen an, es sei i > 0.
Multiplizieren wir beide Seiten mit i, so erhalten wir i² > 0, also -1 > 0.

Die Annahme i > 0 führt also zu einem Widerspruch (-1 > 0), sie muss falsch sein.

Also ist i < 0?

Denkste...
Wir multiplizieren beide Seiten der Ungleichung mit (-1), müssen dabei das < zu einem > machen: und erhalten:

-i > 0

Wenn also -i positiv ist, dann ist das Produkt zweier positiver Zahlen auch positiv:

(-i)*(-i) > 0

Also gilt: -1 > 0

Auch hier offensichtlich ein Widerspruch, also kann i auch nicht kleiner als 0 sein.

Bleibt nur i = 0: i=0 bedeutet i² = 0, also -1 = 0

Geht auch nicht...

Allein von der imaginären Zahl i können  wir nicht entscheiden, ob sie positiv, negativ oder 0 ist.
Ist irgendwie sprachlich auch logisch: >0 heißt ja rechts von der 0 auf dem reelllen Zahlenstrahl...und da liegt i ja nicht drauf...

Der Philosoph Kant würde von einem Kategorienfehler reden: Die Beziehung > gibt es nur auf dem Strahl der reellen Zahlen und nirgends wo anders...
(Vergleich: Die Relation "kann höher singen" gibt es nur innerhalb der Menge aller  Sängerinnen, nicht in der Menge aller  Brückenpfeiler...)

In der Tat ist die Menge der komplexen Zahlen keine geordnete Zahlenmenge mehr. Eine < - oder > - Beziehung ist nicht erklärbar.

Man könnte eine abgeschwächte > - Beziehung aufstellen: Man bildet den  Betrag der komplexen Zahl, berechnet also ihren Abstand zu 0.
Dann kann man komplexe Zahlen nach ihrem Abstand von der 0 ordnen. Alle gleichweit von 0 entfernte komplexe Zahlen (davon gibt es unendlich viele) liegen auf einem Kreis um den  Ursprung herum.
Das hilft eigentlich nicht viel.

Damit haben wir den Teil 3 (Einführung) fast beendet. Es geht aber weiter...der nächste Post kommt....

mathelounge


Rückblick: Was wir bisher gelernt haben

...gleich mit einigen Ergänzungen:

- Komplexe Zahlen werden als Kombination von reellen und imaginären Zahlen dargestellt. Imaginäre Zahlen sind Vielfache einer Zahl i = √(-1)
Man schreibt z = (x,iy) und nennt y den Imaginärteil der komplexen Zahl, x den Realteil.

- Die Visualisierung komplexer Zahlen geschieht über ein Koordinatensystem. Auf der x-Achse wird der Realteil und auf der y-Achse der Imaginärteil dargestellt, manchmal auch i*y.
So ist jede komplexe Zahl ein Punkt im Koordinatensystem, also in der Ebene.
Diese Ebene nennt man auch Gaußsche Zahlenebene.
schulminator

- Wir haben schon eine andere Darstellungsform kennengelernt: z = x + iy. Hier wird eine komplexe Zahl als Summe einer reellen und einer imaginären Zahl geschrieben.
Diese Darstellung ermöglicht uns die intuitive Übernahme aller bisherigen Rechenarten mit reellen Zahlen. Wir müssen lediglich beachten, dass i²=-1 ist.

 - z# = x -iy nennen wir konjugiert komplex zu z = x + iy.
Das Bild von z# liegt gespiegelt an der x-Achse.
Das Produkt aus einer Zahl mit ihrer komplex konjugierten Zahl ist immer eine reelle Zahl.

Ergänzung für Fortgeschrittene:
Oft werden Produkte in der Mathematik ähnlich definiert. Man nutzt dabei immer einen Raum (komplexe Zahl) und einen Dualraum (komplex konjugierte Zahl). Das Skalarprodukt ist z.B. nicht das Produkt zweier Vektoren sondern das Produkt eines Vektors mit der ihm zugeordneten Linearform aus dem  Dualraum. Nur im kartesischen Koordinatnesystem ist das nicht notwendig. Nur hier sind Raum und Dualraum identisch. Das führt dazu, dass man Vektoren mit ihren dualen Objekten, den Linearformen, identifiziert und denkt, dass sei immer so.
Das wird durchweg in der Schulmathematik so gehandhabt.

Aber in krummlinigen Koordiantensystemen, wie man sie in der Relativitätstheorie braucht, muss man sehr genau unterscheiden.
Vielleicht kennen einige die Formel für den raum-zeitlichen Abstand s² zweier Ereignisse in  der Relativitätstheorie. Es ist nicht s² = x² + (c*t)² sondern s² = x² - (c*t)². Nur im letzten Fall erhält man eine lorentzinvariante Größe, also etwas, was in allen Bezugssystemen unabhängig von deren Bewegung, gleich groß ist.

Ebenso in der Quantenmechanik: Hier spielen komplex konjugierte Objekte eine grundlegende Rolle bei der Übertragung der Rechnungen in die Realität.
Als Operatoren dürfen nur sog. hermitesche Matrizen verwendet werden. Das sind Matrizen (Zahlenschemata), die identisch zu ihrer adjungierten Form sind. Die adjungierte Form einer Matrix erhält man, wenn man die Einträge an der Hauptdiagonalen spiegelt und dabei durch die komplex konjugierten Zahlen ersetzt. So müssen alle Zahlen auf den Hauptdiagonalen reell sein.
Nur hermitesche Matrizen liefern reelle Zahlen als echte Messwerte!


- Betrag einer komplexen Zahl |z| = √(z*z#) bezeichnet den Abstand des zu z gehörenden Punktes in der Gaußschen Zahlenebene zum Ursprung.

Bevor wir andere Darstellungsformen von komplexen Zahlen kennenlernen, möchte ich auf die Ordnung komplexer Zahlen eingehen:

Auf der Realachse ist sicherlich 1 > 0. Aber wie ist das auf der imaginären Achse? Gilt da auch i > 0?
Was meint ihr?




Was zum Nachdenken

√(-2) * √(-8) = √[(-1)*2] * √[(-1)*8]
                      =  √(-1) * √2 * √(-1) * √8
                      = i √2*i√8
                       = i²* √16
                       = - 4

Das ist korrekt!

Was ist nun?

√(-2) * √(-8) = √[(-2)*(-8)]
                      =  √16
                      = 4

Kann ja nicht sein....

Würde mich über Kommentare oder Antworten in SFNonline freuen...