Ziel des Workshops

Was sind komplexe Zahlen?
Einführung in das Rechnen mit komplexen Zahlen
Komplexe Zahlen sind wie Vektoren sind aber keine Vektoren
Warum es Wurzeln aus negativen Zahlen gibt
Exponentialfunktion liefert Kreise
Einfache Beschreibung von Schwingungen durch komplexe Zahlen
Wechselstromwiderstände lassen sich durch komplexe Zahlen zusammenfassen
Erzeugung von fraktalen Mustern durch einfach Gleichungen
....

Montag, 11. Mai 2020

Teil 9: Komplexe Funktionen

In diesem Abschnitt möchte ich einige anschauliche und unerwartete Eigenschaften zu komplexen Funktionen (ohne Beweis und nähere Begründung) angeben.
Wer sich damit beschäftigen will, muss sich in der höheren Mathematik mit Funktionentheorie auseinandersetzen.

Eine komplexe Funktion f(z) bildet einen Punkt z = x+iy = (x,y) auf einen anderen Punkt f(z) = (u,v) der komplexen Ebene ab:

Auch f(z) hat dann einen Realteil u und einen Imaginärteil v:

  f(z) = u(x,y) + i* v(x,y)

Beispiel sei die komplexe Exponentialfunktion:

f(z) = exp(z) = exp(x)* (cos y + i*sin y)
Hier ist  u(x,y) = exp(x) * cos y  und v(x,y) = exp(x)*sin y

Auf diesmemBild drückt die Höhe den Realteil der komplexen Exponentialfunktion aus und die Farbe kodiert den Imaginärteil (aus Ahrends u.a. Mathematik, SpektrumVerlag).

(aus Ahrends u.a. Mathematik, SpektrumVerlag)

Hier sehen wir f(z) = sin z, auch wieder mit der Höhe für den Realteil und die Farbe für den Imaginärteil. Man erkennt die periodisch liegenden Nullstellen auf der reellen Achse.

Sind komplexe Funktionen innerhalb eines Gebietes der komplexen Ebene ableitbar (Steigungen bestimmbar), so nennt man sie holomorph oder analytisch.
Dann kann man sie ganz normal ableiten:

f(z) = 3z² + 4z + 1 hat als Ableitung f´(z) = 6z +4
f(z)  = sin z hat als Ableitung f´(z) = cos z
und exp´(z) = exp(z), wie im Reellen.

Auch das Integrieren (Aufsummieren) funktioniert vergleichbar. Es treten aber erstaunliche Vereinfachungen auf:

- Integrale sind vom Integrationsweg unabhängig.

- Kreisintegrale ergeben immer 0, wenn innerhalb des Kreises die Funktion ableitbar ist, insbesondere keine Polstellen auftreten. Das ist das berühmte Theorem von Cauchy.

- Liegen Polstellen innerhalb des Integrationskreises, so ergeben sich auch einfache Formeln (Residuensatz), wie bei f(z) = 1/z und einem Integrationsweg um z=0 herum:

Integriert man z.B. um z = 17i herum, ohne dass die Kurve den Ursprung einschließt, so ist das Integral wieder 0.

Fachleute kennen diese Eigenschaften von elektrischen Feldern her:

Nimmt man die klassische Feldstärke als Imaginärteil und das Potenzial als Realteil, so erhält man das komplexe elektrische Feld.
Im elektrischen Feld sind Kreisintegrale 0 (Die Summe aller Spannungen im Stromkreis ist 0, elektrische Felder sind wirbelfrei).

Ganz allgemein kann man sagen:

Ist die Funktion f(z) = u(x,y) + i* v(x,y) in einem Bereich differenzierbar, so stehen die Linien u(x,y) für festes y und v(x,y) für festes x senkrecht aufeinander, so wie Feldlinien und Äquipotenziallinien.

Mit komplexen Funktionen kann man auch Ähnlichkeitsabbildungen beschreiben. Insbesondere dreht f(z) = z* exp(iy) alles um den Winkel y und bildet f(z) = 1/z das Innere des Einheitskreises auf das Äußere ab (und umgekehrt).
Vergleiche: Die Funktion f(x) = 1/x bildet das Innere des Intervalls [-1,1] auf das Äußere auf dem Zahlenstrahl ab und umgekehrt.

Und auch sonst erleichtern komplexe, ableitbare Funktionen das Leben:

Die Werte auf einer geschlossenen Linie bestimmen alle Werte und Steigungen der Punkte innerhalb der Linie.

Stimmen zwei solcher Funktionen längs einer Linie überein, so sind sie in d r ganzen Ebene identisch.

Abschließend sei noch der Fundamentalsatz der Algebra angegeben (den wir indirekt schon beim Wurzeln kennengelernt haben):


Setzt man ein komplexes Polynom vom Grad n gleich 0, so erhält man eine Gleichung, die genau n Lösungen hat.
Wir haben davon genutzt:

Eine dritte Wurzel hat 3, eine vierte Wurzel 4 ...Werte. usw. Vielleicht erinnert man sich an die gleichseitigen Dreiecke, an deren Ecken die Wurzeln stehen.


In dne nächsten Posts kommen wir zum letzten Kapitel:
Komplexe Zahlen erleichtern Elektrotechnikern das Leben...


Intermezzo: Aus Imaginär wird Reell

Im Post vom 21.4.

 Irrational und imaginär zusammen wird natürlich

haben wir schon gesehen, dass exp(iπ) = -1 ist und exp(2πi) = 1 ergibt.

Um das zu zeigen haben wir mit der Eulerschen Formel gearbeitet:

exp(iy) = cos y + i*sin y.

Letztlich ist das die Definition der komplexen Exponentialfunktion.

Wer sich das nochmal im Blog ansehen will:

Begründung der Eulerschen Formel

Nun wollen wir eins drauf setzen und wollen i hoch i berechnen...also etwas Imaginäres mit etwas Imaginären potenzieren...heraus kommt eine rein irrationale Zahl, also eine reelle Zahl...provozierend: knapp 21%...

iⁱ = 0,207879... ~21%

Um das zu beweisen, müssen wir erst i darstellen:

i liegt auf der imaginären Achse bei i, also ist in der Eulerschen Formel der Winkel y = 90° oder π/2.
Damit können wir über die Eulersche Formel i als Exponentialfunktion ausdrücken und somit auch mit i potenzieren..

Ich habe das mal aufgeschrieben:



Wer will, kann sich auch das folgende Video ansehen.

Hier wird das über den Logarithmus hergeleitet.
Ist etwas umständlicher, aber man lernt einen anderen Weg kennen und vorher wiederholt er Vieles, was wir gemacht haben. Er benutzt aber x statt y. Wir haben in usnerem Blog x für einen Realanteil und y für einen Imaginäranteil reserviert.



Im nächsten Post will ich kurz einige interessante Anmerkungen machen zum Ausführen von Kreisintegralen.
Was passiert, wenn man komplexe Funktionen im Kreis aufsummiert.... Wer sich mit Integralen nicht auskennt, kann das auch überspringen, es ist später nicht wichtig.

Zum Abschluss des Workshops möchte ich dann einmal die Anwendung komplexer Zahlen in der Elektrotechnik zeigen, also bei der Berechnung von Widerständen und Schaltungen.